An einem der letzten Arbeitstage des Jahres 2006 ist in der Werkstatt des Dresdner Orgelbaumeisters Kristian Wegscheider eine sensationelle Entdeckung gemacht worden, auch besonders im Blick auf das Crostauer Orgel-Jubiläum. Unter den zur Restaurierung nach Dresden gebrachten Teilen der großen zweimanualigen Silbermann-Orgel aus der Freiberger St. Petrikirche, erbaut 1732 bis 1735, befinden sich auch die zwei Pedalwindladen. Wegen der Größe und des Gewichtes der längsten Pfeifen ergaben sich - konstruktiv bedingt - im Baßbereich dieser Windladen einige völlig abgeschlossene Hohlräume, die sogenannten Blindkanzellen. Im Gegensatz zu den Tonkanzellen haben diese keine Bedeutung für die Verteilung des Windes zu den Pfeifen und wurden deshalb bei vorherigen Reparaturen nicht geöffnet. Erst die umfangreiche Restaurierung 2006/07 machte ein Öffnen der seit 1735 unberührt gebliebenen Kanzellen notwendig. Groß war die Überraschung der Orgelbauer über die buchstäblich wieder an's Licht kommenden Schriftstücke, unter denen sich auch ein Huldigungsgedicht (sh. die Abbildung des Titelblattes) auf den Stifter der Crostauer Orgel, Christian Heinrich Graf von Watzdorff befand; datiert auf den
2. Nobemb 1732 als am 21. Sonntage nach Trinitatis...
Aus diesem Titelblatt geht nun zweifelsfrei hervor, wer die Orgel gebaut und gestiftet hat und wann sie geweiht worden ist. Das Titelblatt zum Weihegedicht (Budissin, gedruckt bey Gottfried Gottlob Richtern.) weist jedoch eine weitere Besonderheit auf. Offenbar gab es eine Terminverschiebung, denn gedruckt steht ein Datum, das aber handschriftlich geändert wurde in den
5. Novemb 1732 als nach bem 21. Sonntage nach Trinitatis...
Die Orgelweihe ist also vom 2. auf den 5. November, einem Mittwoch, verschoben worden. Nun kann man spekulieren, was wohl der Grund für die Verschiebung des Termins gewesen sein mag: Hatte Graf von Watzdorff plötzlich eine andere wichtige Verpflichtung? Oder lag es an Gottfried Silbermann, der vielleicht dringend noch mindesten zwei Arbeitstage, den Montag und Dienstag brauchte, um die Generalstimmung der Orgel auszuführen?
(Bis zum heutigen Tag stehen die Orgelbauer meist unter einem gewissen Zeitdruck, wenn eine Orgelüberprüfung und Abnahme bevorsteht, und irgendwie weist die etwas flüchtig hingeworfene Inschrift auf den Spund einer Subbaßpfeife „1732 Crosta d. 13 Octobr" auf eine solche Möglichkeit hin. Denn um den 13. Oktober 1732 werden die künstlerischen Arbeiten, nämlich Intonation und Stimmung der Orgel, auf Hochtouren gelaufen sein und wie schnell könnte ein nicht zu erwartendes Ereignis die ursprünglichen Pläne durcheinander gebracht haben).
Es folgt nun auf drei Blättern ein an Watzdorf gerichtetes Gedicht von 56 Zeilen, das - anders als sonst üblich - ein Loblied auf den Stifter der Orgel darstellt. Silbermann wird gerade mal in vier Zeilen erwähnt, zwei davon sind in Klammern gesetzt.

Festschrift zur Weihe der Silbermannorgel Crostau
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